Kraemer’sche Kunstmühle - München

    Wasserkraftportrait

    Können Sie Ihr Kraftwerk kurz vorstellen?

    Unser Kraftwerk steht am Auer Mühlbach in München/Giesing. Dieser fließt aus dem Isarkanal, durch den Tierpark Hellabrunn, am Landtag vorbei und wieder zurück in die Isar. Der Auer Mühlbach ist ein Kanal, d.h. wir haben konstant 10m³ Wasser in der Minute, zum Glück nie Hochwasser und im Sommer auch keine Trockenheit. Mit der Francisturbine werden bei 1,7m Nutzungsgefälle im Jahr ca. 1.000 MWh Strom produziert. Alle zwei Jahre steht die Anlage während einer 14-tägigen Bachauskehr still und wird komplett überholt.

    Einst trieb die Turbine über Transmissionen die Maschinen unserer Mühle direkt an. Später diente sie dann der Stromerzeugung mittels eines Generators. Nachdem der Mühlenbetrieb 2007 stillgelegt wurde, baute unsere Familie das Gebäude zu seiner heutigen gewerblichen Nutzung um. Dies machte notwendig, dass das alte sehr laute Getriebe ausgebaut und durch ein Leiseres ersetzt wurde, das auf Schalldämpfern gelagert ist.  

    Früher verkauften wir den Strom komplett an die Münchner Stadtwerke. Inzwischen zweigen wir vorab einen größeren Teil für die Eigennutzung ab. So betreiben wir z.B. seit 2022 unsere eigene öffentliche Ladesäule.

    Könnten Sie etwas über die Geschichte Ihres Kraftwerks erzählen?

    Im Jahre 1863 kaufte unser Ururgroßvater Carl Jakob Kraemer die damalige, weit vor den Stadttoren Münchens liegende, Papiermühle. Diese wurde 1701 an einer Stromschnelle des Bachs errichtet. Um das rapide wachsende München mit Mehl zu versorgen, wandelte Carl Jakob die Papier- in eine Getreidemühle um. Die damals einzig zur Verfügung stehende Energie war die des Wassers. Da die alten Wasserräder nicht mehr für den Betrieb einer Getreidemühle ausreichten, baute man gleich zu Beginn drei Jonval-Turbinen ein.
     
    1944 zerstörten Fliegerangriffe das Mühlengebäude mitsamt der Turbine komplett. Doch schon 1949 konnte die Anlage mit dem neuen Laufrad der Firma Voith eingeweiht werden. Unser Chronist beschrieb diesen besonderen Moment so: „Eines wunderschönen Maitages sollte die neue Turbine dann zur Probe anlaufen. Es mutete fast feierlich an, als nach kurzen Vorbereitungen die Schützen gezogen wurden und das Wasser rauschend in die Turbinenkammer einströmte. Langsam und fast lautlos, mit verblüffender Leichtigkeit und Präzision, begannen sich die Räder zu drehen und binnen weniger Sekunden bereits befand sich das große Schwungrad, dem allein die Kraftübertragung nach dem Mahlwerk zufiel, auf Hochtouren.“

     

    Welche Bedeutung hat die Wasserkraft und die Anlage für Sie persönlich?

    Es gab die Überlegung, unseren Turbinenraum mit einem großen abstrakten Gemälde zu verschönern. Am Ende kamen wir auf einen anderen, viel naheliegenderen Gedanken: Im Mittelpunkt sollte das eigentliche Kunstwerk stehen, nämlich die Technik der Turbinenanlage selbst. So wollten wir die tief verbundene Wertschätzung gegenüber unserer Anlage ausdrücken. Wir befreiten die Anlage von optisch störenden silbernen Kabelkanälen, strichen Fensterrahmen, Wände und Boden und setzten die pure Technik durch eine entsprechende Beleuchtung ins richtige Licht. Jetzt erfreuen wir uns bei jedem täglichen Kontrollgang an der schönen Anlage, dass sie Tag und Nacht läuft und absolut nachhaltigen Strom produziert. Dass dieser saubere Strom auch eine zuverlässige Einnahmequelle darstellt, soll nicht verschwiegen werden.

    Aber die Turbine ist nicht nur eine Quelle der Freude. Das Wasser flößt uns durch seine ungestüme Energie auch Respekt ein. Bei einer Störung fährt die Anlage automatisch herunter und informiert uns per Handy. Um beruhigt zu sein, fahren wir immer vor Ort, auch wenn es mitten in der Nacht ist. Nach einer Störung oder der Bachauskehr ist es dann das schönste Gefühl, wenn die Anlage wieder stabil läuft und mit einem lauten Klackern ans Netz geht.

    Klemens und Markus Kraemer
    Dezember 2024

    Zur Kraemer'schen Kunstmühle