Wasserkraft - Inseln nach Stromausfall

Mit dem Abschalten der letzten Kernkraftwerke in Bayern / Deutschland, stellen manche sich die Frage, wie stabil das Stromnetz dann sein wird. So wird Bayern ca. 40 % des Stroms aus dem Ausland beziehen müssen. Manche meinen, dass die Stromversorgung weiter sichergestellt ist, weil Strom aus dem windreichen Norden, oder aus anderen Ländern, Frankreich, Österreich, Polen und der Ukraine zur Verfügung steht.

Sollte eine Störung im Verteilnetz auftreten, so hat das meist keine Auswirkungen, da die Netze „vermascht“ sind, und z. B. Siedlungen aus zwei Einspeisungen versorgt werden. Tritt allerdings ein zweiter Fehler auf, so kann das folgenschwere Auswirkungen haben, ähnlich einem Dominoeffekt, befürchten manche Experten. – Eine empfehlenswerte Lektüre zu den Auswirkungen eines großflächigen Stromausfalls: BLACKOUT, von Marc Elsberg. 

Ein Stromausfall könnte auch durch einen Sonnensturm verursacht werden, wodurch die Stromversorgung und das Internet empfindlich geschädigt werden könnten. Ein Sonnensturm ist eine Eruption der Sonne, dabei werden hochenergetischen Teilchen ausgestoßen, die elektrische Geräte und Leitungen stören oder zerstören, z. B. Satelliten, Transformatoren und Internet-Datenleitungen. Am 23.Juli 2012 war ein starker Sonnensturm, der die Erde knapp verfehlte. Der Wiederaufbau der elektrischen Infrastruktur hätte nach Expertenmeinung Jahre gedauert. 
Es gab bereits mehrere kritische Zustände im europäischen Stromnetz, z. B. am 08.01.2021 wo das europäische Stromnetz wegen einer Abschaltung von zwei Sammelschienen in Kroatien über-belastet wurde. Als Folge davon entstanden zwei getrennte Netze, ein Nord-West-Teil und ein Süd-Ost-Teil [1]. Die beiden Teile wurden wieder synchronisiert und nach ca. einer Stunde zusammengeschaltet. Es ereigneten sich mehrere solche Vorfälle, die bisher nur lokale Auswirkungen hatten. So wurde am 24.07.2021 Spanien vom zentralen Netz abgekoppelt [2].
Wie könnte ein Stromnetz nach einem Zusammenbruch wieder hergestellt werden? In der Regel werden Anlagen, z. B. Wasserkraftwerke hochgefahren, und erzeugen ein lokales Stromnetz, an das sich andere Stromerzeuger aufsynchronisieren, und zusätzlich einspeisen. Man spricht von Schwarzstartfähigkeit und Inselbetrieb.

Wasserkraft kann mehr... Schwarzstartfähigkeit und Inselbetrieb

Im Kleinen kann z. B. ein Haus über PV und Batteriespeicher teilweise selbst versorgt werden, zumindest im Sommer. In der Landwirtschaft, z. B. bei Milchviehhaltung, ist eine Stromversorgung der Melkanlage sehr wichtig. Spätestens nach 12 Stunden müssen die Kühe gemolken werden. Der Landwirt hat dazu einen kleinen Generator, z. B. 30 kW, den er mit dem Diesel-Traktor über die Zapfwelle zur Stromversorgung antreiben kann.

Die kleine Wasserkraft in Zusammenhang mit einem kleinen Stromnetz kann eine ähnliche Insellösung aufbauen. Die kleinen Netzbetreiber haben für den Notfall in der Regel einen Dieselmotor mit Generator. Bei einem größeren und länger andauernden Stromausfall wird zuerst das Netz des Betreibers vom restlichen deutschen Mittelspannungs-Netz freigeschaltet. Eine kleine Wasserkraftanlage kann ja nicht ganz Deutschland mit Strom versorgen, sondern nur eine begrenzte Anzahl von Verbrauchern. So werden Teile mit niedriger Priorität getrennt, z. B. Straßenbeleuchtung, Wohnsiedlungen, etc. Wichtige Anlagen sollen weiter mit Strom versorgt werden, z. B. Pumpen für die Trinkwasserversorgung, Verwaltung, Polizei, etc.

Die „Strom-Insel“ wird über einen Synchron-Generator gestartet. Einzelne Verbraucher werden dazugeschaltet, die Leistung der Wasserkraftanlage wird hochgefahren, und weitere Verbraucher können mit Strom versorgt werden. Was wird dann voraussichtlich funktionieren? Die Trinkwasserversorgung, hoffentlich, die Tankstelle, solange Benzin da ist. Krankenhäuser haben einen eigenen Notstrom-Diesel im Keller stehen. Polizei, Verwaltung. Der Supermarkt? Möglicherweise kann man nur in bar zahlen? Möglicherweise öffnet sich auch in München eine Tür mit Zugangskontrolle nicht, weil ein Server in Düsseldorf keinen Strom hat. (So bereits geschehen!)

Was wird nicht funktionieren? Ampeln, Sirenen? Handy-Netz? Telefon? Internet? Heizung, egal ob Wärmepumpe oder Ölheizung. 
In Bayern gibt es mehrere solche kleinen Netzbetreiber, die Strom aus Wasserkraft erzeugen und einspeisen. Herr Oßner ÜZW Altheim hat eine Liste vorbereitet, welche Maßnahmen in welcher Reihenfolge durchgeführt werden müssen: „Zuerst starten wir den Notstrom-Diesel, und schalten dann unsere beiden Wasserkraftwerke dazu.“ Die beiden Wasserkraftwerke liegen übrigens in unmittelbarer Nähe zu Ohu II, das abgeschaltet wurde.

Die kleinen Netzbetreiber haben einen Notfallplan, was bei einem größeren und längeren Stromausfall zu tun ist, welche Teile des Netzes abgeschaltet werden sollen, welche mir Strom versorgt werden müssen, wie der Diesel zu starten ist, und das Wasserkraftwerk zugeschaltet wird. „Wir können bei einem Stromausfall Teile von Perlesreut mit Strom aus Wasserkraft versorgen. Die Vorbereitung dafür machen wir auf eigene Kosten“, sagt Herr Josef Pauli von der Elektrizitäts-Versorgungs-Genossenschaft Perlesreut.

Diese kleine Wasserkraft mit Stromnetz kann dazu beitragen, dass Teile Bayerns bei einem größeren Stromausfall weiter mit Energie versorgt werden. Wenn das europäische Netz wieder stabil ist, was nach Befürchtung von Experten bis zu zwei Wochen dauern kann, wird die Insel wieder an das europäische Stromnetz synchronisiert, und wir haben wieder ein Stromnetz von Norwegen bis Italien zur Verfügung.

[1] https://www.amprion.net/Netzjournal/Beitr%C3%A4ge-2021/Systemauftrennung-im-europ%C3%A4ischen-Stromnetz-zweites-Update.html, abgerufen am 06.04.2024
[2] https://www.netzfrequenzmessung.de/, abgerufen am 06.04.2024.

Ein Beitrag von unserem Mitglied Dipl.-Ing. Otto Mittelfelner, Juni 2024

NOtstromkonzept am E-Werk Schweiger